Verborgen unter der Masse: Brückenmarken aus Ungarn!


Erst vor ein paar Tagen stand wieder ein Münzankauf vor der Tür. Ein Herr, der seinen Nachlass veräußern wollte, brachte uns allerlei Dosen, Schachteln und Plastikbecher mit Massen- bzw. Kiloware.

Die Vorgehensweise ist in solchen Fällen immer gleich: die mitgebrachten Objekte werden sortiert; die besseren Stücke einzeln bewertet und die Masse zum jeweiligen Material- bzw. Kilopreis verrechnet. Nachdem wir alle Stücke sortiert hatten kamen wir auf insgesamt 15kg (!) Massenware – Münzen, die keinerlei numismatischen Wert aufweisen und lediglich zum Kilopreis weiter verkauft werden.

Unter all dem „Ramsch“ findet sich jedoch auch hin und wieder ein kleines, wenn auch nicht unbedingt wertvolles dafür aber interessantes, Exemplar. So auch in diesem Fall.
In einem der Plastikbehälter mit diversen Jetons (Telefonmarken, Parkmarken und ähnlichem) befanden sich auch 6  Brückenmarken.

Zuerst war mir nicht ganz klar, was ich da in Händen hielt jedoch verleitete mich die ungewöhnliche Optik der Stücke (welche stark an Münzgewichte oder Notmünzen erinnerte) zu weiteren Recherchen. In einem Numismatikforum wurde ich schließlich fündig; es handelte sich um sogenannte „Brückenmarken“. Diese Art Jetons existierten in allerlei Materialien und Größen und waren beim Brückenzoll einzulösen, um eine Brücke überqueren zu können.
Das Design und die Optik der Marken änderte sich dabei oft von Jahr zu Jahr.


Es stellte sich heraus, dass es sich bei dem von mir gefundenen „Schatz“ um Marken aus Budapest handelte.
Einseitige Bleigüsse, welche jeweils mit „HAG“ oder „RO“ und einem Wert (3, 3 ½, 4) bezeichnet sind.

 

Zoll an der Széchenyi Kettenbrücke in Budapest



Der Brückenzoll war von jedem, der die Donau von Ofen (Buda) nach Pest (oder umgekehrt) überqueren wollte zu entrichten. Die Höhe des Betrags orientierte sich dabei an einer speziellen Preisliste (Link S.34-36): so musste ein Bauer mit Karren für die Überquerung einen höheren Betrag bezahlen als ein einfacher Fußgänger, der ohne Fuhrwerk oder Gepäck unterwegs war.
Mit den Einnahmen wurde die Instandhaltung der Brücke finanziert.

Eine weitere, bemerkenswerte Neuheit war, dass auch von der Steuer befreite Bürger, Adelige und der Klerus dazu verpflichtet waren, eine Mautgebühr zu bezahlen. Der Erbauer Széchenyi, welcher selbst Angehöriger der privilegierten Schicht war hatte sich das Ziel gesetzt, die Modernisierung Ungarns voran zu treiben. So appelierte er an die patriotischen Gefühle des Adels in dem er England und die Vereinigten Staaten als funktionierende Beispiele anführte ("
wo freie Menschen wohnen, und selbstbestimmte Mauthen zahlen") und sich sogar selbst finanziell am Bau der Brücke beteiligte.

Die weiter oben abgebildeten Marken wurden in den Jahren 1848/49 verwendet – zu diesem Zeitpunkt war die Kettenbrücke noch nicht offiziell eröffnet worden, eine Überquerung war jedoch bereits möglich. Mit der Eröffnung Ende November 1849 wurde dieser Markentyp nicht weiter verwendet, die Maut jedoch blieb weiter bestehen.


Noch heute existieren Vielerorts Mautgebühren für die Benutzung von Brücken.

 


Quellen:
[http://archiv.magyarmuzeumok.hu/targy/1301_milyen_barcat_szeretek_]
[https://en.numista.com/forum/topic80704.html]
[https://epub.uni-regensburg.de/32223/1/goellner_ujb_2011_2013_203-238.pdf]